Ein Comeback für den Buchweizen – eine Nutzpflanze mit Potenzial

27.03.2025

Buchweizen hat eine lange Geschichte: Einst war das robuste Pseudogetreide ein Grundnahrungsmittel in Deutschland. Doch mit der Zeit verschwand er aus den Küchen und von den Feldern – verdrängt von ertragreicheren Getreidesorten. In anderen Teilen der Welt, etwa in Asien, der Ukraine oder Russland, hat Buchweizen bis heute einen festen Platz in der Ernährung und wird vielseitig genutzt. Trotz seiner nahrhaften Körner wird Buchweizen hierzulande fast ausschließlich als Zwischenfrucht angebaut, weil er wegen seiner positiven Eigenschaften für Boden und Umwelt geschätzt wird.

Mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt BIMOTEC, das Ende 2024 gestartet ist, will das Team um Dr. Laura Junker-Frohn vom Institut für Pflanzenwissenschaften dem Buchweizen aufgrund seines bioökonomischen Potenzials und der wachsenden Nachfrage zu einem Comeback verhelfen. Zwei Institutsbereiche des Instituts für Bio- und Geowissenschaften (IBG), das Institut für Pflanzenwissenschaften und das Institut für Bioinformatik, arbeiten gemeinsam mit weiteren Partnern unter anderem daran, die traditionsreiche Pflanze für eine Doppelnutzung fit zu machen: Sowohl die Samen, Blätter als auch die Stängel sollen genutzt werden. Wie das Projekt zur Wiederbelebung des Buchweizens beitragen soll und warum der Buchweizen wieder einen festen Platz in der Landwirtschaft verdient, erfahren wir im Gespräch mit Dr. Laura Junker-Frohn, Koordinatorin des BIMOTEC-Projekts.

Ein Comeback für den Buchweizen – eine Nutzpflanze mit Potenzial
Dr. Laura Junker-Frohn, Koordinatorin des BIMOTEC-Projekts. | Copyrights: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Warum ist Buchweizen so interessant für die nachhaltige Landwirtschaft und warum lohnt es sich, diese Pflanze wieder stärker in den Fokus zu rücken?

Buchweizen ist eine sehr spannende Pflanze. Sie hat eine kurze Kulturzeit, das bedeutet, sie wächst schnell und ist nach kurzer Zeit, etwa nach drei bis vier Monaten, reif für die Ernte. Dadurch können Landwirt:innen Buchweizen effizient einsetzen, zum Beispiel als Zweitfrucht nach Wintergetreide oder Frühkartoffeln, wenn das Feld sonst brachliegen würde.

Im Forschungsprojekt BIMOTEC untersuchen wir, ob Buchweizen nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch für industrielle Zwecke genutzt werden kann. Denn in Buchweizenblättern und Samenhüllen befinden sich große Mengen wertvoller Pflanzeninhaltsstoffe, sogenannte Sekundärmetabolite, die zum Beispiel in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Außerdem wollen wir herausfinden, ob die Lignozelluose in der Stängelbiomasse, die als Strukturgerüst der Pflanze fungiert, als biobasierter Rohstoff fossile Rohstoffe ersetzen könnte.

Durch diese ganzheitliche Nutzung, also der Verwertung der Samen, Blätter und Stängel, könnte eine bioökonomische Wertschöpfungskette entstehen: Die Samen liefern ein nahrhaftes Lebensmittel, aus den Samenhüllen – aktuell noch ein Nebenprodukt beim Schälen – und Blättern werden wertvolle Pflanzenstoffe gewonnen und die Stängel sind ein biobasierter Rohstoff. Wäre doch klasse.

Übrigens gibt es nur eine Nischenpflanze, die heute schon ganzheitlich genutzt wird und das ist Nutzhanf. Die Samen werden als Nahrungsmittel verwendet oder zu Öl verarbeitet, aus Blättern und Blüten werden CBD-Produkte gewonnen und die Stängel werden zu Fasern für die Papier- und Textilproduktion aufbereitet. Ähnlich könnte auch Buchweizen zu einer nachhaltigen Mehrzweckpflanze weiterentwickelt werden.

Buchweizen wird häufig als anspruchslose Pflanze beschrieben. Welche Vorteile bringt er für Böden und Umwelt mit sich?

Buchweizen hat viele agrarökologische Vorteile: Zum einen benötigt er kaum Dünger oder Pflanzenschutz – heißt keine chemischen Stoffe auf dem Feld. Außerdem ist Buchweizen sehr genügsam und gedeiht auch auf mageren, sandigen und sauren Böden. Was er nicht so mag, ist Kälte. Er darf entsprechend nicht zu früh ausgesät oder zu spät geerntet werden.

Aufgrund dieser vorteilhaften Eigenschaften wird Buchweizen bereits als Zwischenfrucht zur Gründüngung eingesetzt. Durch Aussaat nach der Haupternte wird der Boden aufgelockert, Erosion vermieden und der Boden gesund gehalten: Buchweizen kann zum Beispiel den Lebenszyklus von schädlichen Nematoden unterbrechen. Das sind winzige, fadenförmige Würmer, die gerne Pflanzenwurzeln befallen. Buchweizen regt sie zum Schlüpfen an, bietet ihnen aber keine Nahrung, sodass sie absterben. Als Gründüngung wurden bisher spätblühende Sorten verwendet und kein Kornertrag eingefahren. Im Projekt BIMOTEC arbeiten wir daran, frühblühende Sorten für die Nutzung als Zweitfrucht zu etablieren. Durch die globale Erwärmung werden unsere Vegetationsperioden länger und bei Aussaat nach Wintergetreiden oder Frühkartoffeln könnte so eine zweite Ernte erzielt werden.

Da Buchweizen nicht mit anderen Nutzpflanzen verwandt ist, bereichert er die sogenannte Fruchtfolge auf dem Feld. Dieser Wechsel zwischen verschiedenen Pflanzenarten verringert den Schädlingsdruck auf dem Feld und ermöglicht eine gleichmäßige Nährstoffnutzung. Der Einsatz neuer Pflanzenarten wie Buchweizen erhöht zudem die Agrobiodiversität, also die Vielfalt der landwirtschaftlich genutzten Pflanzenarten, und bereichert so den Lebensraum durch vielfältigere Lebensbedingungen. Als eine der wenigen blühenden Nutzpflanzen ist Buchweizen außerdem eine hervorragende Nektar- und Pollenquelle für Bienen und andere Bestäuber – und das zu einer Jahreszeit, in der nur wenige andere Pflanzen blühen.

Viele traditionelle Kulturpflanzen haben besondere gesundheitliche Eigenschaften, die oft übersehen werden. Was macht Buchweizen in diesem Zusammenhang besonders spannend?

Der Name Buchweizen ist eigentlich irreführend, denn botanisch gesehen gehört er nicht zu den echten Getreiden, sondern ist ein sogenanntes Pseudogetreide. Das bringt einen großen Vorteil mit sich: Buchweizen ist glutenfrei und daher besonders interessant für Menschen mit Glutenunverträglichkeit und Zöliakie – das ist eine chronische Erkrankung des Darms, die durch Gluten ausgelöst wird. Aber Buchweizen kann noch viel mehr: In puncto Nährstoffgehalt ist er Getreide haushoch überlegen. Buchweizen hat ein ernährungsphysiologisch besonders wertvolles Aminosäureprofil mit allen acht essenziellen Aminosäuren und ist reich an Mineralstoffen, B-Vitaminen und Vitamin E. Außerdem enthält er essenzielle Fettsäuren wie Linolsäure, gesundheitsfördernde Sekundärmetabolite mit antioxidativer Wirkung wie die Polyphenole Rutin und Quercetin. Einzig die Samenhüllen sollten nicht in hohen Mengen verzehrt werden, weswegen er nur geschält erhältlich ist.

Was genau ist das Ziel des BIMOTEC-Projekts und wie soll es erreicht werden?

Der Anbau von Buchweizen als Ertragspflanze ist in Deutschland vor Jahrzehnten nahezu eingestellt worden und es fand keine züchterische Verbesserung statt, um den Ertrag zu steigern und an die sich verändernden Klimabedingungen anzupassen. Wir wollen im BIMOTEC-Projekt gemeinsam mit unseren Partnern Grundlagen schaffen, um die Pflanze gezielt weiterzuentwickeln. Das erfolgt an verschiedenen Forschungseinrichtungen: Wir hier am Institut für Pflanzenwissenschaften schauen uns zum Beispiel das Wurzel- und Sprosswachstum von 60 Sorten an – auch unter Trockenstress und Stickstoffmangel, um herauszufinden, welche Arten am resistentesten gegen diese Einflüsse sind. Denn ein niedriger Stickstoffbedarf reduziert den Düngemittelbedarf von Landwirten und Landwirtinnen und ermöglicht zudem die landwirtschaftliche Rekultivierung nährstoffarmer Böden wie zum Beispiel Tagebauflächen. Wir führen eine sogenannte Phänotypisierung durch, das ist eine quantitative Vermessung der Pflanzen mithilfe unserer neuen Phänotypisierungsanlage GrowScreen-Rhizo 3. Das ist eine von unserem Institut entwickelte einzigartige Anlage, in der wir Hunderte von Pflanzen in sogenannten Rhizotronen wachsen lassen. In diesen speziellen, schmalen Containern können wir das Wurzelwachstum automatisiert beobachten. Über das Wurzelwachstum von Buchweizen gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, obwohl das Wachstum und die Eigenschaften der Wurzeln eine wichtige Rolle für das Pflanzenwachstum, die Pflanzengesundheit und den Ertrag spielen. Anhand täglicher Bildaufnahmen der Pflanzen können wir Unterschiede im Wachstum von Wurzeln und Sprossen verschiedener Sorten erkennen. Die Jülicher Kolleg:innen am Institut für Bioinformatik untersuchen gemeinsam mit uns die Trockenstresstoleranz von 60 Sorten und quantifizieren den Gehalt des Sekundärmetabolits Rutin, um herauszufinden, welche Gene zu einer hohen Trockenstresstoleranz beitragen und welche Gene für die Biosynthese der wertvollen Sekundärmetabolite verantwortlich sind.

Unsere Partner am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie in Münster suchen in den Proben unserer Experimente nach neuen und interessanten Sekundärmetaboliten, die für die Industrie interessant sein könnten, um die angestrebte Doppelnutzung zu verfolgen. Dafür führen sie detaillierte Analysen der Blätter und Samenhüllen durch – „Metabolite Profiling“ nennt sich das. Damit wollen sie herausfinden, ob sich die Blattbiomasse und die Samenhüllen als Quelle für wertvolle Sekundärmetabolite eignen und wie sich Trockenstress oder Stickstoffmangel auf die Qualität auswirkt. Um diese wertvollen Pflanzenstoffe industriell nutzen zu können, müssen geeignete Extraktionsverfahren entwickelt und optimiert werden. Hier setzt unser Wirtschaftspartner Phytowelt an: Sie skalieren die Extraktionsprozesse für Rutin aus der Buchweizen-Biomasse hoch und veredeln es anschließend durch mikrobielle Prozesse, um den Wirkstoff gezielt aufzuwerten. Die Uni Hohenheim forscht an der Weiterentwicklung agronomischer Modelle für Buchweizen, also mathematische Modelle, die das Wachstum der Pflanze unter verschiedenen Bedingungen simulieren und so den Ertrag vorhersagen können. Das soll Landwirt:innen dabei helfen, den Anbau von Buchweizen zu optimieren – besonders vor dem Hintergrund des Klimawandels. Ein wichtiger Faktor für die Ertragssteigerung bei Getreiden war beispielsweise die gezielte Züchtung von Kurzstrohgetreiden mit kurzem Halm, die bei Wind und Wetter nicht so leicht umknicken und einfach widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse sind. Am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben wird daran gearbeitet, den Buchweizen mit modernen Züchtungsmethoden gezielt genetisch zu verändern, sodass die Auswirkungen gezielter Mutationen auf das Pflanzenwachstum und den Metabolitgehalt überprüft werden können. Auf lange Sicht könnte die gezielte Genomeditierung dazu beitragen, dass Buchweizen ertragreicher, widerstandsfähiger und vielseitiger nutzbar wird.

Also Sie sehen, ein allumfassendes, interdisziplinäres Projekt mit vielen Beteiligten. Wer weiß, vielleicht können wir gemeinsam dem Buchweizen zu seinem wohlverdienten Comeback verhelfen.

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    Letzte Änderung: 11.04.2025