Kryo-Elektronenmikroskopie macht Struktur wichtiger membranverformender Proteine sichtbar

Jülich/Heidelberg, 19. August 2020. Viren vermehren sich im menschlichen Körper, indem sie Funktionen der Körperzellen kapern und für ihre Zwecke einsetzen. Ebola-, HI- und andere Viren benutzen dazu unter anderem den so genannten ESCRT-III-Komplex. Dieses komplexe Gebilde aus zahlreichen Eiweißkomponenten dient eigentlich dazu, bei notwendigen Stoffwechselprozessen wie der Zellteilung, der Bildung von Zellorganellen – den Organen der Zelle –, oder dem Abbau von Abfällen die Zellmembran zu verformen. Bei der frontotemporalen Demenzerkrankung hat man Mutationen des Komplexes gefunden und bei Krebserkrankungen könnte er ebenfalls eine Rolle spielen. ESCRT-III kommt nicht nur beim Menschen vor, sondern in sehr ähnlicher Form bei allen Tieren, Pflanzen und Pilzen.

Wie genau der Komplex die Zellmembran verformt und wie dazu seine einzelnen Komponenten zusammenspielen müssen, ist noch nicht im Detail bekannt. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg haben nun ein wichtiges Detail seines Aufbaus aufgeklärt. Sie nutzten dafür die so genannte Kryo-Elektronenmikroskopie am Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen (ER-C). Das Jülicher Institut betreibt Hochleistungs-Elektronenmikroskope, die einzigartige Einblicke in die Welt der Atome ermöglichen, und gemeinsam mit der RWTH Aachen eine Nutzereinrichtung, die Forscherinnen und Forschern aus Wissenschaft und Industrie modernste Instrumente, Methoden und Fachkenntnisse zur Verfügung stellt.

Durch ihre hohe Auflösung von 3.2 Å ermöglichte die Methode den Forschern, erstmals zu erkennen, dass sich eine der Untereinheiten des Komplexes namens "Vps24" von selbst in Form langgestreckter doppelhelikal gewundener Stränge anordnet. Hydrophobe Wechselwirkungen und komplementäre Ladungen in den beiden Strängen stabilisieren das Gebilde. Mit ihren Untersuchungen lieferten die Forscher auch eine Erklärung für die schädliche Wirkung einiger Mutationen dieser Untereinheiten: Sie beeinträchtigen die stabilisierenden Wechselwirkungen. Im Reagenzglas haben die Wissenschaftler zudem Vps24 mit weiteren ESCRT-III-Untereinheiten in Gegenwart von biologischen Modellmembranen gemischt und beobachtet, wie Membranen in der Zelle verformt werden könnten. "Weitere Untersuchungen mittels Kryo-Elektronenmikroskopie zusammen mit den weiteren Untereinheiten des ESCRT-III-Komplexes sind jedoch nötig, um seinen Aufbau und seine Funktion noch besser zu verstehen, und ebenso seine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten", ordnet Prof. Dr. Carsten Sachse, Direktor am ER-C, die Ergebnisse ein.

Originalpublikation: S. T. Huber et al., Structure and assembly of ESCRT-III helical Vps24 filaments, Science Advances  19 Aug 2020: Vol. 6, no. 34, eaba4897, DOI: 10.1126/sciadv.aba4897

Struktur eines doppelsträngigen ESCRT-III-Polymers (blau) und der isolierten Tetramer-Einheit (gold). Im Hintergrund zeigen vier elektronmikroskopische Aufnahmen die Membranverformung im Reagenzglas.
Struktur eines doppelsträngigen ESCRT-III-Polymers (blau) und der isolierten Tetramer-Einheit (gold). Im Hintergrund zeigen vier elektronmikroskopische Aufnahmen die Membranverformung im Reagenzglas.
Forschungszentrum Jülich (Daniel Mann, Siavash Mostafavi, Carsten Sachse)

Weitere Informationen:

Website des Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen – Strukturbiologie (ER-C-3)

Website des Sachse Lab

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Carsten Sachse
Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen – Strukturbiologie (ER-C-3)
Tel: 02461 61-2030
E-Mail: c.sachse@fz-juelich.de

Pressekontakt:

Angela Wenzik, Wissenschaftsjournalistin
Forschungszentrum Jülich
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Letzte Änderung: 24.10.2022