Neues zu arzneimittelbedingten Hautschwellungen

31. Januar 2024

Das Angioödem ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche unerwünschte Reaktion auf blutdrucksenkende ACE-Hemmer. Mittels einer gemeinsamen Analyse von acht europäischen Studienkollektiven führten Forschende vom Universitätsklinikum Bonn (UKB), der Universität Bonn sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erstmals eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) mit mehr als 1.000 Betroffenen durch. Sie identifizierten insgesamt drei Risiko-Loci in den Erbanlagen. Darunter ein neuer Genort, der zuvor noch nicht mit dem Risiko für das ACE-Hemmer-induzierte Angioödem in Verbindung gebracht wurde. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlicht. Korrespondenzautor ist Prof. Andreas Forstner vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich. Für weiterführende Studien werden Teilnehmende gesucht.

Angiotensin-Converting-Enzyme-Hemmer – kurz ACE-Hemmer – sind effektive Blutdrucksenker. Sie blockieren die Bildung des Hormons Angiotensin II, das bei der Entwicklung eines Bluthochdrucks eine zentrale Rolle spielt. Auf der anderen Seite erhöhen diese Arzneimittel die Konzentration des gefäßaktiven Signalstoffs Bradykinin. Das kann unter anderem zu akuten Schwellungen in der Haut oder Schleimhaut führen. In der Regel sind solche Schwellungen nicht lebensgefährlich. Treten sie jedoch im Bereich der Zunge, des Rachens oder Kehlkopfes auf, kann ein Angioödem aufgrund der möglichen Erstickungsgefahr lebensbedrohlich für den Patienten werden.

Neues zu arzneimittelbedingten Hautschwellungen
Forschende aus Bonn und Jülich identifizieren neuen Risiko-Locus im Genom für das ACE-Hemmer induzierte Angioödem und rufen zur Teilnahme an der vARIANCE-Studie auf: (v. li.) Prof. Bernhardt Sachs, Prof. Andreas Forstner, Prof. Markus Nöthen und Carina Mathey.
Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Rolf Müller

Die bisherige Forschung legt nahe, dass die Anfälligkeit für solche arzneimittelbedingten Angioödeme sowohl durch erbliche Faktoren als auch durch Lebensstil und Umgebung beeinflusst wird. „Das Verständnis der zugrundeliegenden biologischen Prozesse, also der Pathophysiologie, und damit der individuellen Risikoeinschätzung ist jedoch nach wie vor begrenzt. Die Identifizierung der verantwortlichen Gene wird hier völlig neue Einsichten ermöglichen“, sagt Prof. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik des UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn.

Chromosom 20 im Visier

Auf der Grundlage der Daten von acht europäischen Studienkollektiven führten die Wissenschaftler:innen erstmals eine Studie mit mehr als 1.000 Patienten durch. Sie identifizierten insgesamt drei Orte im Genom, die mit dem Risiko für ein ACE-Hemmer-induziertes Angioödem assoziiert sind. „Während zwei der Loci bereits in vorherigen Studien beschrieben wurden, konnten wir mit unserer Studie erstmals eine signifikante Assoziation für einen neuen Locus auf Chromosom 20 nachweisen“, erläutert Korrespondenzautor Prof. Andreas Forstner vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin sowie vom Institut für Humangenetik des UKB und der Universität Bonn. „Durch weiterführende bioinformatische Analysen konnten wir an den drei Risiko-Loci mehrere Kandidaten-Gene identifizieren, die darauf hindeuten, dass genetische Veränderungen im Bradykinin-, Gerinnungs- und Fibrinolyse-Signalweg eine Rolle in der Entstehung dieses Angioödem-Typs spielen“, ergänzt Erstautorin Carina Mathey, Doktorandin am Institut für Humangenetik des UKB und der Universität Bonn.

Teilnehmende gesucht

Eine weitere Studie soll eine bessere Einschätzung des individuellen Risikos für das Auftreten eines Angioödems ermöglichen. Langfristig soll sich durch das Verständnis der biologischen Grundlagen auch die Therapie des Angioödems verbessern. An der Teilnahme interessierte Personen, die von einem ACE-Hemmer- oder Sartane-induzierten Angioödem betroffen waren, können sich unter Telefon 0228/6885-441 oder per E-Mail unter variance-studie@uni-bonn.de melden. Weitere Informationen zum Ablauf der Studienteilnahme gibt es zudem auf der Website www.variance-studie.info.

Originalpublikation:
Carina M. Mathey et al.; Meta-analysis of ACE inhibitor-induced angioedema identifies novel risk locus; Journal of Allergy and Clinical Immunology; DOI: https://doi.org/10.1016/j.jaci.2023.11.921

Ansprechpartner Forschungszentrum Jülich

Prof. Dr. Andreas Forstner

Team Leader "Brain Genomics"

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  • Strukturelle und funktionelle Organisation des Gehirns (INM-1)
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Erhard Zeiss

Wissenschaftlicher Kommunikationsreferent

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Letzte Änderung: 31.01.2024