Science: Mit Neutronen zum schaltbaren Antiferromagneten
Jülich, 14. Juli 2017 – Ein chinesisch-deutsches Forscherteam hat im Fachmagazin Science ein neuartiges synthetisches antiferromagnetisches Material vorgestellt, das sich als richtungsweisend für Fortschritte in der Nanomedizin und Informationstechnologie erweisen könnte. Bislang werden synthetische Antiferromagnete weitestgehend aus Übergangsmetallen und Legierungen angefertigt. Anders der von Wissenschaftlern der University of Science and Technology of China in Hefei hergestellte Antiferromagnet: Er besteht aus mehreren, nur wenige Nanometer dicken Oxidschichten, deren Eigenschaften sich gezielt für unterschiedliche Anwendungen anpassen lassen. In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich konnten die Forscher mittels Neutronenmessungen am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) zeigen, dass sich das neue Material durch ein äußeres Magnetfeld schichtweise magnetisieren und umpolen lässt – und so kontrolliert zwischen verschiedenen magnetischen Zuständen hin und her schalten lässt.
Ein Antiferromagnet weist im Gegensatz zu einem Ferromagneten kein von außen messbares Magnetfeld auf. Trotzdem handelt es sich nicht um ein völlig unmagnetisches Material. Die Spins der Elektronen sind jedoch nicht wie bei einem Ferromagneten parallel, sondern entgegengesetzt ausgerichtet. Die magnetischen Momente heben sich daher gegenseitig auf. Im Fall des nun synthetisch erzeugten Antiferromagneten wird der Effekt über nur wenige Nanometer dicke ferromagnetische Manganat-Schichten erzielt, die über ultradünne, isolierende Titanoxid-Schichten miteinander gekoppelt sind. Die Kopplung der Spins erfolgt dabei allerdings nicht ferromagnetisch, sondern antiferromagnetisch: Die Polarisationsrichtung der Spins kehrt sich um, wenn sie von der einen auf die andere Schicht übertragen wird.
Der neuartige Antiferromagnet besitzt darüber hinaus aber noch weitere, besondere Eigenschaften: Zum einen lassen sich die magnetischen Materialeigenschaften durch Veränderungen des Schichtaufbaus gezielt verändern. Zum anderen können einzelne Schichten des Materials durch ein äußeres Magnetfeld umgepolt werden, sodass sich temporär unterschiedliche magnetische Zustände herstellen lassen. Der Nachweis gelang den Forschern mithilfe des Neutronen-Reflektometers MARIA, das das Jülich Centre for Neutron Science (JCNS) am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) in Garching betreibt.
Antiferromagnetische Materialien könnten sich gegenüber konventionellen ferromagnetischen Materialien in unterschiedlicher Hinsicht als vorteilhaft erweisen. Sie sind unempfindlich gegenüber störenden äußeren Magnetfeldern. Mit entsprechenden Datenträgern lassen sich Informationen daher womöglich dauerhafter und verlässlicher speichern, als es bisher mit magnetischen Materialien möglich ist.
Originalpublikation:
All-oxide-based synthetic antiferromagnets exhibiting layer-resolved magnetization reversal
Binbin Chen, Haoran Xu, Chao Ma, Stefan Mattauch, Da Lan, Feng Jin, Zhuang Guo, Siyuan Wan, Pingfan Chen, Guanyin Gao, Feng Chen, Yixi Su, Wenbin Wu
Science (published 14 July 2017); DOI: 10.1126/science.aak9717
Die "AM-Score"-Abbildung zeigt die vom Bibliometrie-Dienst Altmetric erfassten Resonanzen auf die jeweilige Publikation, zum Beispiel auf sozialen Netzwerken. Weitere Informationen erhält man beim Klick auf die Abbildung (altmetric.com).
Weitere Informationen:
Pressemitteilung der University of Science and Technology of China vom 14. Juli 2017 (chin.)
Außenstelle des Jülich Centre for Neutron Science (JCNS) am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ)
Ansprechpartner:
Dr. Yixi Su
Jülich Centre for Neutron Science
Tel. +49 89 289-10714
E-Mail y.su@fz-juelich.de
Dr. Stefan Mattauch
Jülich Centre for Neutron Science
Tel. +49 89 289-10709
E-Mail s.mattauch@fz-juelich.de
Pressekontakt:
Tobias Schlößer
Pressereferent, Forschungszentrum Jülich
Tel. +49 2461 61-4771
E-Mail t.schloesser@fz-juelich.de