Warum wir die Ozonforschung weiter brauchen – ein Interview mit Jens-Uwe Grooß

16. September 2025

Am 16. September wird weltweit der Internationale Tag zur Erhaltung der Ozonschicht begangen – ein Aktionstag, der von den Vereinten Nationen initiiert wurde. Dieses Jahr steht er unter dem Motto „From science to global action“ – ein Hinweis darauf, dass wissenschaftliche Erkenntnisse seit Jahrzehnten die Grundlage für erfolgreiches politisches Handeln zum Schutz der Ozonschicht bilden.

Dr. Jens-Uwe Grooß vom Institute of Climate and Energy Systems – Stratosphäre (ICE-4) ist Mitglied der International Ozone Commission und erforscht seit vielen Jahren die Chemie der Stratosphäre. Mit seinem Team hat er kürzlich ein Atmosphärenmodell entscheidend verbessert, das künftig noch präzisere Vorhersagen zum Ozonabbau ermöglicht. Im Interview erklärt er, warum die Ozonschicht für uns alle lebenswichtig ist, wie aktuelle Forschung neue Rätsel löst – und weshalb wir auch 38 Jahre nach Inkrafttreten des Montreal-Protokolls wachsam bleiben müssen.

Warum wir die Ozonforschung weiter brauchen – ein Interview mit Jens-Uwe Grooß
Die Ozonschicht filtert die harte UV-Strahlung aus dem Sonnenlicht und ermöglicht so erst das Leben auf der Erde, wie wir es kennen. | Copyrights: Adobe Stock

Herr Dr. Grooß, warum ist die Ozonschicht für uns alle so wichtig – und wie steht es um ihre Gesundheit heute?

Die Ozonschicht filtert die harte UV-Strahlung aus dem Sonnenlicht und ermöglicht so erst das Leben auf der Erde, wie wir es kennen. Ohne die schützende UV-Filterung würden deutlich mehr schädliche Strahlen auf die Erde treffen mit gravierenden Folgen für unsere Gesundheit – Stichwort Hautkrebs – die Landwirtschaft und unsere Ökosysteme. Ein Hauptverursacher des Ozonlochs sind Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), die früher in Spraydosen, Kühlschränken oder Klimaanlagen eingesetzt wurden. Dank der Umsetzung des Montrealer Protokolls wurden FCKWs weltweit schrittweise verbannt und ihre Konzentration in der Atmosphäre sinkt seit etwa 25 Jahren kontinuierlich. Aber: Wegen der langen Lebensdauer der FCKW müssen wir noch so etwa 40 bis 50 Jahre warten, bis sich das Ozonloch nicht mehr jedes Jahr erneut im antarktischen Frühling bildet.

Die International Ozone Commission, deren Mitglied Sie sind, hat anlässlich des Ozon-Tags ein Statement veröffentlicht. Darin wird vor Kürzungen in der Forschungsförderung gewarnt. Wie gefährlich sind solche Einschnitte für den globalen Schutz der Ozonschicht?

Warum wir die Ozonforschung weiter brauchen – ein Interview mit Jens-Uwe Grooß
Dr. Jens-Uwe Grooß vom Institute of Climate and Energy Systems – Stratosphäre (ICE-4) ist Mitglied der International Ozone Commission und erforscht seit vielen Jahren die Chemie der Stratosphäre.

Zur Ozonschicht könnte man ja sagen, wir haben die Prozesse im Prinzip verstanden und müssen nur noch das Montrealer Protokoll umsetzten. Dann wäre das Ozonloch in 50 Jahren kein Problem mehr. Möglicherweise würde das auch ohne weitere begleitende Forschung funktionieren, aber dann würden beispielsweise Ereignisse wie illegale FCKW-Produktionen nicht auffallen, wie sie vor einigen Jahren mithilfe von Atmosphären-Messungen entdeckt wurden. Im Montrealer Protokoll ist daher neben den Maßnahmen zur Emissionsreduktion auch die wissenschaftliche Begleitung festgeschrieben. Hätten britische Wissenschaftler seit den 1950er Jahren in der abgelegenen Antarktis nicht drei Jahrzehnte lang Ozonmessungen durchgeführt, wäre das Ozonloch nicht – oder zumindest nicht so früh – entdeckt worden. Daher sind die vielen global verteilten Messstationen so wichtig – auch um potenzielle neue Umweltgefahren rechtzeitig zu entdecken. Leider ist zurzeit die Förderung für viele Messstationen in Gefahr. In den USA etwa hat die aktuelle Administration Mittel für die Klima- und Atmosphärenforschung stark gekürzt. Dadurch droht der Betrieb von Messstationen eingeschränkt zu werden und es wird sogar darüber diskutiert, funktionierende Satelliten vorzeitig abzuschalten.

Das Motto des Ozon-Tags lautet in diesem Jahr „From science to global action“. Was bedeutet das für Ihre Arbeit und für die Rolle der Wissenschaft insgesamt?

Gerade in der Umweltforschung ist es wichtig, nicht nur wie im Elfenbeinturm die Ergebnisse wissenschaftlich zu verstehen, sondern daraus auch Konsequenzen zu ziehen und Handlungsempfehlungen für die Politik abzuleiten. So wie der Weltklimarat „Intergovernmental Panel on Climate Change“, kurz IPCC, regelmäßig die Ergebnisse der Klimaforschung vorstellt, wurden auch in den 1980er Jahren die Erkenntnisse der Ozonforschung und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen in Richtung der Politik mitgeteilt. Damals gab es natürlich auch Widerstände gegen geplante Maßnahmen. Ein bemerkenswerter Faktor war, dass die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher – trotz ihrer konservativen Haltung und vieler umstrittener Entscheidungen – die wissenschaftlichen Argumente als studierte Chemikerin nachvollziehen konnte. Ihre Zustimmung war daher ein wichtiger Baustein für den Erfolg des Montrealer Protokolls.

Sie haben mit Ihrem Team gerade ein Atmosphärenmodell entscheidend verbessert. Worum ging es in Ihrer Forschung – und warum war diese Verbesserung notwendig?

Auch wenn die Prozesse zum stratosphärischen Ozonabbau im Wesentlichen verstanden sind, gab es noch Unstimmigkeiten: Atmosphärenmodelle bilden komplexe chemische Prozesse nach, um besser zu verstehen, wie sich die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert. Inzwischen stimmen die Berechnungen der Modelle mit den experimentellen Beobachtungen meist recht gut überein. Jedoch zeigten Messungen im Winter im Kern des Polarwirbels jedes Jahr einen deutlichen Rückgang von Chlorwasserstoff (HCl), den die gängigen Modelle bislang nicht abbilden konnten. Mit den in unserer Studie vorgeschlagenen zusätzlichen chemischen Reaktionen kann man diese Diskrepanz im Jülicher Atmosphärenmodell mit dem Namen CLaMS, das steht für „Chemical Lagrangian Model of the Stratosphere“, beheben. Das ist ein kleines Puzzleteilchen zu Verbesserung unseres Verständnisses der atmosphärischen Prozesse. Nur so können verlässliche Vorhersagen für die Wirkung bestimmter Maßnahmen in der Zukunft gemacht werden.

Wenn wir in die Zukunft blicken: Was sind die größten Herausforderungen für die Ozonforschung – und was motiviert Sie persönlich, an diesem Thema dranzubleiben?

Die Umsetzung des Montrealer Protokolls und der Folgeabkommen sind ein großer Erfolg der internationalen Diplomatie. Wir stehen aber in etwa 50 Jahren nicht genau dort, wo wir 1980 begonnen haben, denn die Atmosphäre hat sich durch die vom Menschen verursachten Emissionen weiter verändert: Eine steigende Kohlendioxid-Konzentration, die globale Erwärmung sowie weitere Faktoren wechselwirken mit dem Ozon in der Atmosphäre. Die Herausforderung ist, diese Interaktionen mit dem Klima immer besser zu verstehen. Diesen komplexen Zusammenhang zu entschlüsseln, finde ich immer noch faszinierend. Dafür brauchen wir das enge Zusammenspiel von Modellrechnungen und Messungen: Nur wenn Beobachtungen und Simulationen Hand in Hand gehen, können wir die Prozesse in der Atmosphäre wirklich nachvollziehen. Die immer schneller werdenden Supercomputer können uns dabei helfen, aber verlässliche Beobachtungsdaten sind hierfür ebenso von erheblicher Bedeutung. Ein Problem ist, dass einige wichtige satellitengestützte Messinstrumente am Ende ihrer Laufzeit angekommen sind und bislang keine gleichwertigen Nachfolger bereitstehen. Umso wichtiger sind die bodengestützten Messungen, deren Förderung gerade diskutiert wird. Ob es mit den gegenwärtigen und zukünftigen Messungen wieder so eine Überraschung wie die Entdeckung des Ozonlochs geben wird, kann ich natürlich nicht sagen. Aber ohne Atmosphären-Messungen würden wir es womöglich auch nicht bemerken.

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      Letzte Änderung: 25.09.2025