Zukunftsfähige Landwirtschaft

Im Rahmen der Woche der Umwelt 2024 organisierte das IBG-3 des Forschungszentrum Jülich zusammen mit dem AgriScape Team des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) eine Podiumsdiskussion zum Thema "Zukunftsfähige Landwirtschaft – Nahrungsmittelproduktion zwischen Umweltschutz und Anpassung an den Klimawandel"

Hintergrund der Diskussion: Über die Hälfte der Landesfläche Deutschlands dient der Nahrungsmittelproduktion. Seitens der Gesellschaft wird zunehmend erwartet, dass Agrarlandschaften auch viele weitere Funktionen erfüllen. Beispielsweise sollen Biodiversität und Wasserqualität geschützt werden und schöne Landschaften der Erholung dienen. Gleichzeitig sollen die Landschaften landwirtschaftlich produktiv bleiben und widerstandsfähig gegenüber Klimawandelfolgen werden. Die Anpassung an den Klimawandel kann die Vereinbarung landwirtschaftlicher Produktion mit Umweltschutz erleichtern. Es können aber auch Zielkonflikte auftreten, z. B. durch einen erhöhten Bewässerungsbedarf, aber gleichzeitig sinkenden Pegelständen in Gewässern. Die Podiumsdiskussion widmete sich diesen möglichen Synergien und Zielkonflikten im Kontext einer Transformation der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit (Agrarwende).

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Auch für die Wissenschaft ist es von großer Bedeutung zum Thema zukunftsfähige Landwirtschaft im Dialog zu bleiben mit allen Beteiligten aus dem Agrarsektor, den Stakeholdern und den Entscheider:innen aus Regierung und Verwaltung sowie der Öffentlichkeit. Nur so kann der benötigte Forschungsansatz gefunden werden und der anschließende Wissenstransfer effizient an die umsetzenden Stellen erfolgen. Daher wollen wir auf dieser digitalen Diskussionsplattform allen Diskutierenden die Möglichkeit bieten ihre Positionen zu vertreten, um den öffentlichen Diskurs darüber weiter anzuregen.

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Die Forscherin Dr. Andrea Kaim von AgriScape ergänzt "Agrarlandschaften müssen multifunktional werden, denn das macht sie robust – auch gegenüber Klimaveränderungen. Nur wenn Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik konstruktiv zusammenarbeiten, können praxistaugliche Lösungen gefunden werden. Die Politik sollte Landwirte dabei unterstützen, umweltfreundlich und klimaangepasst zu wirtschaften, d.h. ihnen ein Auskommen sichern, aber nicht auf Kosten des Umweltschutzes."

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Dr. Rolf Sommer vom WWF fasst seine langjährige Erfahrung zu diesem Thema wie folgt zusammen: „Eine zukunftsfähige Landwirtschaft muss sich Klima- und Naturschutz mit ganzem Herzen verschreiben. Es benötigt einen transformativen Geist und Willen zur Neugestaltung. Wahre Preise und qualitative Anreize sichern Wertschätzung und einkommenssichernde Löhne für Landwirte und Landwirtinnen. Eine nachhaltige Landwirtschaft schützt das Klima, und bewahrt Böden und Natur, und sichert dadurch die Ernährung von heute und in der Zukunft.“

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Jana Gäbert von der Agrargenossenschaft Trebbin konnte anhand vieler tiefer, wertvoller Einblicke in ihren Alltag als Landwirtin die „farmer’s voice“ in die Diskussion einbringen: „In der Landwirtschaft stehen wir oft mitten in einem Konfliktfeld zwischen unserem grundlegenden Wunsch, Lebensmittel im Einklang mit der Natur zu erzeugen und für das Wohl unserer Tiere zu sorgen, und den bürokratischen Hürden sowie den ermüdenden Kontrollen, die uns diesen Weg erschweren. Diese Herausforderungen machen es manchmal fast unmöglich, unsere Verantwortung als Landwirtschaftsbetrieb für Umweltschutz und Tierwohl vollständig umzusetzen. Gleichzeitig tragen wir eine soziale Verantwortung für unsere Mitarbeiter, was zusätzliche Anforderungen (Ausbildung, langfristige Arbeitsplatzabsicherung) an uns stellt. Daher ist unser dringender Wunsch nach mehr Vertrauen seitens der Behörden und anderen Instanzen unerlässlich, um eine nachhaltige und verantwortungsvolle Landwirtschaft zu ermöglichen

Aus meiner Sicht sollte sich die Wissenschaft vor allem mit der Erforschung und Entwicklung von innovativen Technologien und Praktiken zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels in der Landwirtschaft beschäftigen. Dazu gehören die Entwicklung von klimaresistenten Pflanzensorten, die Erforschung von Anbaumethoden, die den CO2-Fußabdruck der Landwirtschaft reduzieren, sowie die Analyse von Risikomanagementstrategien für landwirtschaftliche Betriebe. Darüber hinaus spielt die Wissenschaft eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von evidenzbasierten Empfehlungen und Richtlinien für die Politikgestaltung und die Entwicklung von praxisrelevanten Lösungen für Landwirte."

Zukunftsfähige Landwirtschaft

Constantin Marquardt vom Bayer Crops Konzern sieht die Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungssicherheit weiterhin als oberstes Ziel der globalen Landwirtschaft. Er gibt zu bedenken: „Die globale als auch hiesige Landwirtschaft steht aufgrund des Flächenverlustes enorm unter Druck. So verlieren wir aufgrund diverser Gründe wertvolle Agrarfläche. Sei es durch die Klimafolgen wie verstärkter Erosion durch Wasser und Wind bei Extremwetterereignissen, längere Hitze- als auch Dürreperioden, Desertifikation etc. an Fläche. Hinzu kommen noch kriegerische Konflikte, Urbanisierung, Ausbau der klassischen als auch energetischen Infrastruktur und einiges mehr. Kurz um, auf immer weniger Fläche müsste mehr produziert werden, auch um die weltweit steigende Nachfrage nach Proteinen decken zu können. Natürlich können sich v.a. in der sog. westlichen Welt veränderte Ernährungsgewohnheiten einen Beitrag hierzu leisten. Doch gerade auf Niedrigertragsstandorten ist häufig eine Veredlung von pflanzlichen Proteinen eine der wenigen ökonomischen Möglichkeiten für die Landwirtschaft. Das Konzept der Regenerativen Landwirtschaft bietet hierzu individuelle Lösungen weltweit an (Zwischenfrüchte, minimale Bodenbearbeitung, Humusaufbau etc.). Auch eine verstärkte Forschung und Entwicklung an innovativen Lösungen in den Bereichen Digitalisierung und Pflanzenforschung wie dann auch deren tatsächliche Umsetzung bieten enorme Potentiale.

Die Zeit des Fragestellens ist eigentlich vorbei, denn es gibt kein Mangel an Wissen und Erkenntnissen, jedoch einen Mangel an Umsetzung dessen. Kurzum, der Wissenstransfer in die tatsächliche Praxis dauert zu lange. Dies könnte durch Entbürokratisierung, benutzerfreundliche zentrale Datenbanken und freundlicheres Innovations- und Investitionsklima erfolgen. Der Wissenstransfer ist m.E. nach wie vor die größte Herausforderung der Wissenschaft. Wie eben beschrieben, sind zahlreiche Erkenntnisse da, nur landen sie zu selten oder unvollständig im Agrarsektor. Daher sollte sie weitere niederschwellige Informationsangebote entwickeln und umsetzen, damit sowohl der Agrarsektor als auch Entscheider:innen in Politik und Regierung/Verwaltung sachliche Entscheidungen zügig treffen können."

Junior Professor Dr. Bartosz Bartkowski von AgriScape findet als Mitorganisator abschließende Worte zum Thema Zukunftsfähige Landwirtschaft:

Zukunftsfähige Landwirtschaft
Letzte Änderung: 21.06.2024