Jülicher Studie zeigt Weg zur flexibel steuerbaren Produktionsanlage und damit zu geringeren Kosten
2. Juni 2025
Der Umbau der Ammoniak-Produktion auf ein emissionsarmes Verfahren ist eine der großen Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Ammoniak, weltweit eine der meistproduzierten Chemikalien, ist essenziell für die Düngemittelindustrie und damit für die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel. Die Herstellung ist jedoch teuer und verursacht viele Emissionen. Ein Forschungsteam des Forschungszentrums Jülich, der TU München und des Unternehmens Linde Engineering hat in einer Studie simuliert, wie ein Reaktor aussehen muss, der Ammoniak kostengünstig und grün produziert, also auf der Basis erneuerbarer Energien. Die Ergebnisse wurden nun im International Journal of Hydrogen Energy veröffentlicht.
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Klimafaktor Ammoniak
Laut der britischen Royal Society entstehen bei der weltweiten Ammoniak-Produktion jährlich rund 500 Millionen Tonnen CO₂ – das entspricht etwa dem jährlichen CO₂-Ausstoß Deutschlands und etwa 1,8 Prozent der globalen Emissionen. Der Hauptgrund: Für die klassische Ammoniak-Synthese wird Wasserstoff benötigt, der bislang fast ausschließlich aus fossilem Erdgas gewonnen wird – ein Prozess, bei dem große Mengen CO₂ freigesetzt werden.
Grüner Ammoniak bietet hier eine klimafreundliche Alternative: Der benötigte Wasserstoff (H2) wird dabei nicht aus Erdgas, sondern per Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Dieses wird – mit Strom aus erneuerbaren Energien – in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff gespalten. Der dabei entstehende Wasserstoff reagiert anschließend im sogenannten Haber-Bosch-Verfahren mit Stickstoff (N2) aus der Luft zu Ammoniak (NH₃).
Das Problem: Strom aus Wind- und Sonnenenergie ist nicht kontinuierlich verfügbar. Das führt dazu, dass auch die Elektrolyse nicht konstant die gleiche Menge Wasserstoff liefert – und damit die Versorgung der Anlage schwankt. Damit eine Ammoniakanlage flexibel auf diese Schwankungen reagieren kann, muss sie ihre Produktion hoch- und herunterfahren können – also lastflexibel betrieben werden.
Doch konventionelle Anlagen sind für einen dauerhaften, gleichmäßigen Betrieb ausgelegt. Schnelle Lastwechsel führen zu starken Druckschwankungen im Inneren der Reaktoren und Rohrleitungen. Die Bauteile werden dadurch mechanisch stark belastet. Um das dauerhaft auszuhalten, müssten die Apparate mit dickeren Wänden und robusteren Materialien gebaut werden – was die Kosten erheblich steigert und die Bauweise deutlich aufwändiger macht.
Genau hier setzt die neue Studie an: Sie zeigt, wie sich diese Druckschwankungen mit einer intelligenten Steuerung reduzieren lassen – und damit auch die Anforderungen an die mechanische Stabilität der Anlagen.
Der Unterschied: Eine konventionelle Ammoniak-Synthese braucht eine Mindestlast von 50 Prozent für den Betrieb. Ein Lastwechsel ist laut einer Studie aus dem Jahr 2020 mit 0,3 Prozent pro Minute möglich. Die in einer Simulation gezeigte neuartige Anlage kann mit nur zehn Prozent Last fahren und passt sich somit besser an den schwankenden grünen Strom an. Innerhalb einer Minute kann sie ihre Last um 3 Prozent steigern oder senken. Für das Hochfahren von 50 auf 100 Prozent Last braucht sie 16.36 Minuten. Die konventionelle Ammoniak-Synthese dagegen benötigt zweieinhalb Stunden. Copyright: — Forschungszentrum Jülich/Reisen
Neue Lösung für alte Schwankungen
„Damit grüner Ammoniak einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann, müssen die Kosten konkurrenzfähig sein“, sagt Prof. Andreas Peschel, Direktor am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft des Forschungszentrums Jülich und Mitautor der Studie.
Das lässt sich laut Studie mit einer neuartigen Druckregelung im sogenannten Ammoniak-Loop erreichen. Dieser Produktionsschritt sorgt dafür, dass unverbrauchte Reaktionsgase wie Wasserstoff und Stickstoff erneut dem Prozess zugeführt werden. Mit der flexiblen Steuerung dieses Loops lassen sich laut Simulationen des Teams Lastwechsel mit hoher Geschwindigkeit und geringen Druckschwankungen realisieren.
Die Produktionsleistung lässt sich innerhalb einer Minute um drei Prozent ändern – ein Tempo, das mit heutigen erdgasbasierten Anlagen nicht möglich ist. Damit wären künftig kleinere Puffer und geringere Wandstärken der Anlagenbauteile ausreichend, was die Kosten für den Materialbedarf senken würde.
Bereits in einer früheren Studie hatte das Team einen flexibel betreibbaren Reaktortyp vorgestellt. Nun soll am Forschungszentrum Jülich der nächste Schritt folgen: Versuchsanlagen, die die neue Drucksteuerung und die hohe Lastdynamik unter realitätsnahen Bedingungen demonstrieren.