Ehemaliger Institutsdirektor Helmut Wenzl verstorben
16. Mai 2018
Nachruf von Prof. Dr. Joachim Treusch, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich von 1990 - 2006
Am 21. Februar 2018 verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit Prof. Dr. Helmut Wenzl, emeritierter langjähriger Direktor des Instituts für Materialentwicklung des IFF und Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Physik an der RWTH Aachen. Mit ihm hat uns eine der prägenden Forscherpersönlichkeiten des weltweit renommierten Instituts für Festkörperforschung im Forschungszentrum Jülich (vormals KFA) verlassen. Er gehörte ihm von 1974 bis 1999 als Direktor, davor von 1971 bis 1974 als Leiter des Kristallzuchtlabors an. Seine Professur (nach Jülicher Modell) in Aachen hatte er von 1975 bis 1999 inne.
Er selbst schreibt in einem handschriftlichen(!) Lebenslauf von 1975: „Am 27. März 1934 im Dörfchen Auschowitz im Egerland geboren, 1946 nach Bayern vertrieben, das Regiomontanum-Gymnasium Haßfurt am Main mit dem Abitur und dem Hundhammer-Stipendium verlassend fand ich mich 1953 als Student in München wieder. Nach dem Vordiplom in Elektrotechnik an der TU München zog es mich zur Physik. Das Neue hörte man bei Maier-Leibnitz.“
Konzentration auf das Wesentliche kann man hier spüren. Konsequent macht er seine Diplomarbeit im Maier-Leibnitzschen Institut, wo er unter Betreuung von Rudolf Sizmann eine kalorimetrische Arbeit zur Wigner-Energie, die in Graphit nach Bestrahlung gespeichert sein kann, anfertigt und dann bis 1962 zu einer Dissertation ausbaut. Offenbar als experimentell geschickt erkannt darf er von 1963 bis 1969 das Tieftemperatur-Bestrahlungslabor am „Münchner Ei“, dem ersten Forschungsreaktor Deutschlands, aufbauen. „Diese einmalige Anlage,“ so schreibt er wieder selbst, „wurde bald ein Mekka für Experimentatoren aus der ganzen Welt.“ Dies ist nach persönlicher Kenntnis des Verfassers eine der ganz seltenen Gelegenheiten, hinter der großen Bescheidenheit des Menschen Helmut Wenzl eine Spur seines wissenschaftlichen Selbstbewusstseins zu erahnen.
Er aber brauchte nach dem Erfolg zunächst Veränderung, ging für zwei Jahre als Gastwissenschaftler an die Solid State Division des berühmten Oak Ridge National Labs in Tennessee/USA. Dort erreichte ihn 1971 der Ruf aus Jülich, wo schon einige Physiker aus dem Münchener Umkreis von Maier-Leibnitz angefangen hatten, zum Aufbau und Wachstum des IFF beizutragen. Er passte als Spezialist für Tieftemperaturphysik und Kristallforschung gut in das schon vorhandene Spektrum von Theoretischer Physik, Neutronenstreuung und Materialwissenschaft. Interdisziplinäre Zusammenarbeit war das Gebot der Stunde.
Besonders eindrucksvoll habe ich dieses Potential des IFF anlässlich des „Hype“ zur „Kalten Fusion“ erlebt, den die amerikanischen Chemiker Pons und Fleischmann 1989 entfacht hatten. Alle Theoretiker waren sich spontan einig, dass „nicht sein konnte, was nicht sein durfte“. Aber es war Helmut Wenzl, der eine dreiwöchige konzentrierte Zusammenarbeit organisierte, um eine offizielle Anfrage der EU an die KFA, ob es mit diesem für die Energieversorgung so vermeintlich spannenden Thema etwas auf sich habe, experimentell unwiderlegbar begründet zu verneinen.
Neben seinen Aktivitäten als Forschender in Jülich und als Lehrender in Aachen hatte Helmut Wenzl immer Zeit übrig zur Pflege wissenschaftlicher Kooperationen und Freundschaften über das spezifisch eigene Feld hinaus. Bemerkenswert sein Engagement nach der Wiedervereinigung, als er in Adlershof das Institut für Kristallforschung als dessen (Wieder-)Gründungsdirektor zu neuem Leben erweckte und über viele Jahre im Berliner Forschungsverbund mithalf, der Forschung der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR Struktur zu verleihen. „Berlin ist so eine zweite wissenschaftliche Heimat für mich geworden“, schreibt er in seinem „internen“ Abgesang 1999. Die Leibniz Gemeinschaft dankt es ihm.
Seine Emeritierung hat ihn mit einer gewissen Wehmut erfüllt, weil er Veränderungen auf das IFF zukommen sah, die er nicht mehr beeinflussen konnte. Aber er hat sich mit uns allen von Herzen über den Nobelpreis von Peter Grünberg gefreut, denn schon 1995 - im Zusammenhang mit den anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums gepriesenen Erfolgen des IFF (und hier zitiere ich noch einmal „intern“) „wies der derzeitige geschäftsführende Direktor des IFF, Prof. Helmut Wenzl, während der Pressekonferenz des Symposiums schmunzelnd darauf hin, dass eigentlich nur noch der Nobelpreis in der Sammlung fehle.“
Alle, die das Vergnügen hatten, mit Helmut Wenzl über Physik oder Kunst zu sprechen, oder mit ihm am Samstag in der Frühe Tennis zu spielen, werden ihn als eine liebenswerte, energiegeladene und eindrucksvoll abgerundete Persönlichkeit in Erinnerung behalten.