Aufbau von Brennstoffzellenmembran aufgeklärt
Jülich/Garching, 27. Januar 2022. Polymerelektrolytbrennstoffzellen (PEMFC) sind eine Form der Niedertemperatur-Brennstoffzellen, die elektrische Energie unter Einsatz von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen. Sie eignen sich vor allem für emissionsfreie mobile Anwendungen, etwa in Brennstoffzellenfahrzeugen, und sind ein wichtiger Baustein für die Energiewende. Kernelement der Zellen ist eine Protonenaustauschmembran, deren komplexen Aufbau Forscher:innen aus Jülich und Japan nun mit Hilfe der Neutronenkleinwinkelstreuung am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) in Garching detaillierter als jemals zuvor untersucht haben. Das vertiefte Verständnis des Aufbaus kann dabei helfen, das Design solcher Membranen weiter zu entwickeln und neue Anwendungen zu ermöglichen.
PEMFC werden bereits seit den 1960er-Jahren entwickelt und eingesetzt. Als Protonenaustauschmembran der PEMFC dient eine sehr dünne Kunststoffmembran (engl. „Proton Exchange Membrane“, kurz PEM). Sie trennt die beiden Reaktionspartner Wasserstoff und Sauerstoff voneinander und lässt, wenn sie hydratisiert ist, also von Wasser bedeckt, nur positiv geladene elektrische Teilchen, die Protonen, durch wassergefüllte Kanäle passieren. Beide Seiten der Membran sind mit katalytisch aktiven Elektroden beschichtet. Auf der einer Seite werden Wasserstoff-Moleküle unter Abgabe von zwei Elektronen zu je zwei Protonen oxidiert. Diese Protonen durchqueren die Membran mit Hilfe der Kanäle. Auf der anderen Seite der Membran reduzieren Elektronen, die zuvor in einem äußeren Stromkreis elektrische Arbeit verrichten konnten, Sauerstoff. Zusammen mit den Protonen entsteht nun Wasser.
Derzeit sind Perfluorsulfonsäure-Polymere wie Nafion die technisch führenden Materialien für PEM, da sie bei moderaten Betriebstemperaturen eine gute mechanische und chemische Stabilität bei gleichzeitig hoher Protonenleitfähigkeit in einem breiten Bereich relativer Feuchtigkeitsbedingungen aufweisen. Diese Eigenschaften resultieren, soweit der bisherige Stand der Forschung, aus dem Aufbau der Membranen aus nanometergroßen Bereichen, die jeweils entweder wasserliebend oder wasserabweisend sind. Um jedoch den Mechanismus zu verstehen, mit dem Ionen durch das Material transportiert werden, und so zu lernen, wie sich effizientere Materialien für verschiedene Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen herstellen lassen, fehlte ein vollständiges Bild der Mikrostruktur von Nafion, trotz der langjährigen, verbreiteten Verwendung des Materials und seiner intensiven Erforschung u.a. mit Röntgen- und Neutronenkleinwinkelstreuung.
Wissenschaftler der japanischen Forschungsorganisation National Institutes for Quantum Science and Technology (QST) in Japan untersuchten nun mit Unterstützung des Jülicher Physikers Dr. Aurel Radulescu die Mikrostruktur von hydratisiertem Nafion und den wassergefüllten Ionenkanälen erstmals detaillierter mit Hilfe einer speziellen Methode der Kontrastvariations-Neutronenkleinwinkelstreuung am Forschungsinstrument KWS-2, das das Forschungszentrum Jülich am MLZ betreibt. „Neutronenstreuung eignet sich grundsätzlich hervorragend, um Strukturen von weichen Materialien sichtbar zu machen, anders als etwa Elektronenmikrokopie, die weiche Proben rasch zerstört“, erläutert Radulescu. „Darüber hinaus kann man mit Neutronen weiche Materialien unter realen Bedingungen untersuchen, wobei man die Möglichkeit hat, technisch relevante Probenparameter, wie z.B. Temperatur und Feuchtigkeitsgrad kontrolliert zu variieren“.
Im Gegensatz zu einem Mikroskop bildet Neutronenstreuung Strukturen jedoch indirekt und als Ganzes ab – so dass zusätzliche Schritte notwendig waren, um detaillierte Strukturinformationen zu erhalten. „Wir können uns einen Wald als Analogie vorstellen“, sagt der Neutronenspezialist. „Je nachdem, wie man das Instrument benutzt, sieht man entweder die Bäume, die Äste oder die Nadeln.“ Deshalb „färbten“ die Forscher jeweils Teile der Proben quasi ein, indem sie Wasserstoff durch schweren Wasserstoff – Deuterium – ersetzten. Das ändert die Struktur der Moleküle nicht, aber die Sichtbarkeit für die Neutronensonden. Mit der Deuterierung haben die Jülicher Forscher viel Erfahrung und bieten seit kurzem auch einen proposalbasierten Deuterierungsservice für externe Nutzer an. Zudem führten die Forscher Messungen mit unterschiedlichen Streukontrasten durch. Die passende Kombination aus Deuterierung und Streukontrast machte jeweils eine Komponente der Membran sichtbar. Um die Ergebnisse zusammensetzen zu können, mussten die Forscher dann noch die Positionsbeziehungen zwischen den Komponenten feststellen, wozu sie den Streubeitrag der einzelnen Komponenteausrechneten.
Die Forscher konnten so mit Hilfe dieser erstmals für Nafion genutzen Methode die gesamte Struktur der wasserbedeckten Nafion-Membran quantitativ rekonstruieren. Sie ähnelt einem wassergetränkten Schwamm, wobei die Struktur in den untersuchten Größenordnungen selbstähnlich ist, also sowohl die Membran als Ganzes wie auch seine Bestandteile schwammartig strukturiert sind. Zudem gibt es kristalline und ungeordnete Strukturanteile. Die Messungen zeigten zudem, dass das Wasser über das Material großflächig homogen verteilt ist. Dies passt gut zu der These, dass die hohe Membranleitfähigkeit der Membran auf einem gut verbundenen Wasser-Netzwerk basiert.
Originalveröffentlichung:
Yue Zhao et al.; Three-Component Domains in the Fully Hydrated Nafion Membrane Characterized by Partial Scattering Function Analysis; Macromolecules 2021, 54, 9, 4128–4135; Publication Date: April 29, 2021, DOI: 10.1021/acs.macromol.1c00587
Informationen:
Leistungsdaten des Neutronenkleinwinkelstreuinstruments 2 (KWS-2)
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Dr. Aurel Radulescu a.radulescu@fz-juelich.de
Forschungszentrum Jülich
Jülich Centre for Neutron Science (JCNS-FRM-II)
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