Aufdeckung von Kausalitätsnetzwerken im gesamten Gehirn während der geführten visuellen Suche

17. Februar 2022

Christian M. Kiefer, Junji Ito, Ralph Weidner, Frank Boers, N. Jon Shah, Sonja Grün, and Jürgen Dammers

Damit wir in unserem täglichen Leben effektiv mit unserer Umwelt interagieren können, nutzen wir Augenbewegungen, um die visuellen Informationen um uns herum aktiv zu erfassen. Dies wird als aktives Sehen bezeichnet. Angesichts der riesigen Menge an Informationen, die wir gleichzeitig wahrnehmen, ist es wichtig, dass das Gehirn die Informationen selektiv und entsprechend der kontextuellen Prioritäten verarbeitet.

Obwohl frühere Studien die aufgabenabhängige selektive Informationsverarbeitung untersucht haben, bleibt unklar, wie sich die zielgerichtete Verarbeitung naturalistischer, visueller Reize auf die funktionellen Netzwerke im Gehirn während des aktiven Sehens auswirkt.

In der Regel haben Studien, die sich mit der visuellen Verarbeitung im menschlichen Gehirn befassen, die Verwendung hochkomplexer naturalistischer Reize zugunsten künstlicher und einfacher Reize wie Balken, Gitter, Buchstaben oder vereinfachter Szenarien wie kontrollierter Sakkadenaufgaben vermieden. Künstliche Reize machen es zwar einfacher, die Komplexität von Studien zu reduzieren, aber die Reaktionen auf künstlich vereinfachte Reize spiegeln möglicherweise nicht die neuronalen Reaktionen auf natürliche Szenen wider.

In dieser Studie wurde erstmals die Magnetoenzephalographie mit der Eye-Tracking-Technologie kombiniert, um zu untersuchen, wie sich die interregionalen Interaktionen im Gehirn bei zwei verschiedenen Formen des aktiven Sehens verändern: beim freien Betrachten natürlicher Bilder oder bei einer geführten visuellen Suche. Interessante Regionen mit signifikanter fixationsbezogener evozierter Aktivität wurden durch räumlich-zeitliche Cluster-Permutationstests identifiziert.

Die nachstehende Abbildung zeigt kausale Wechselwirkungen zwischen Hirnarealen, welche in Folge von Fixationen auftreten. Rote Pfeile zeigen Wechselwirkungen, welche während des freien Betrachtens signifikant waren und blaue Pfeile zeigen Wechselwirkungen, welche während der visuellen Suche signifikant waren. Graue Pfeile bedeuten, dass die Wechselwirkungen vergleichbar während beiden Aufgaben waren.

Revealing whole-brain causality networks during guided visual searching

Unter Verwendung von “generalized partial directed coherence” zeigt die Studie, dass sich als Reaktion auf das Einsetzen der Fixation während des freien Sehens ein stark verbundenes Netzwerk in den Regionen eines bilateralen Clusters (bestehend aus vier Regionen: hintere Insula, Gyrus transversus temporalis, Gyrus temporalis superior und Gyrus supramarginalis) bildet. Ein vergleichbares Netzwerk entstand auch in der rechten Hemisphäre während der Suchaufgabe, wobei der rechte supramarginale Gyrus als zentraler Knotenpunkt für den Informationsaustausch fungierte.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse stellen die Forscher die Hypothese auf, dass der rechte supramarginale Gyrus nach einer Fixation das rechte zusätzliche Augenfeld mit neuen Informationen versorgt, um die Prioritätskarte zu aktualisieren, die die Augenbewegungen während der Suchaufgabe steuert.

Da das Sehen im Allgemeinen der primäre Weg des Gehirns ist, um auf Informationen über die Welt zuzugreifen, ist die Entwicklung unseres Verständnisses der Mechanismen, die an der visuellen Verarbeitung beteiligt sind, wichtig für eine Reihe grundlegender Anwendungen, die kognitive Interaktionen beinhalten. Künftige Forschungsarbeiten werden sich nun zusätzlich auf visuelle Gedächtnisaufgaben fokussieren.

Originalpublikation: Revealing whole-brain causality networks during guided visual searching

Letzte Änderung: 12.05.2022