„Es gibt bei uns schon Grundlagenforschung, auf die wir aufbauen können.“

Verhindern, dass das Corona-Virus an Wirtszellen andocken, mit ihnen verschmelzen und sich dadurch verbreiten kann: Das steht, kurz und knapp, im Zentrum der aktuellen Forschung der Strukturbiochemiker am Jülicher Institut für Biologische Informationsprozesse. Sie entwickeln einen Liganden, ein spezifisch bindendes Molekül, das ein bestimmtes Bindungs-Protein des Virus vom Rezeptor einer Wirtszelle verdrängt. Ein Interview mit Prof. Dieter Willbold, dem Direktor des Instituts.

Prof. Dieter Willbold
Prof. Dieter Willbold
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Warum ist das Institut für Biologische Informationsprozesse für die Coronaforschung gut aufgestellt?

Für die Manipulation der 3-D-Struktur und damit der Funktion von Proteinen haben wir in den vergangenen 15 Jahren eine ganze Reihe von völlig neuartigen Strategien, Methoden und Technologien entwickelt, die nun dem Institut und den beiden Ausgründungen Priavoid und attyloid zur Verfügung stehen. Damit gelang es uns zum Beispiel einen Wirkstoffkandidaten zu entwickeln, der toxische und schwer fassbare Abeta-Oligomere in seine harmlosen Monomer-Bausteine zerlegt und damit die krankheitsverursachenden Objekte direkt zerstört. Dagegen ist die Manipulation eines einzelnen viralen Proteins deutlich einfacher. Außerdem haben wir uns schon während der SARS-Pandemie 2002/03 mit Struktur und Funktion einiger der Proteine der damaligen Corona-Virus-Version beschäftigt. Es gibt also bei uns schon vorhandene Grundlagenforschung, auf die wir aufbauen können.

Sie erforschen das Corona-Virus auf verschiedenen Wegen. Können Sie sie skizzieren?

Das Corona-Virus bindet mit einem bestimmten Protein, dem sogenannten Spike-Protein, über ein ACE2 genanntes humanes Protein an eine menschliche Zelle an und schleust so letztlich seine Erbinformation ein. Wir entwickeln ein Molekül, das an das Spike-Protein bindet und dessen Bindestelle für ACE2 blockiert. Dadurch kann der Virus nicht mehr an die Zelloberfläche andocken und mit der Wirtszelle verschmelzen. Mithilfe von NMR Spektroskopie wollen wir die 3-D-Struktur eines kleinen, aber sehr wichtigen viralen Proteins entschlüsseln und parallel ebenfalls ein Molekül zu dessen Inhibition entwickeln, damit das Virus sich in einer bereits befallenen Zelle nicht weiter vermehren kann. In einem dritten Projekt wird untersucht, wie ein virales Enzym gehemmt werden kann, welches das Virus ebenfalls zur Vermehrung benötigt. Darüber hinaus haben mein Kollege Valentin Gordeliy und seine  Arbeitsgruppe am IBI-7  damit begonnen, die atomaren Strukturen der viralen Proteine „M“, „E“ und „3a“ aufzuklären, um strukturbasiertes „Drug Design“ zu ermöglichen. Und meine Kollegin Birgit Strodel, die ebenfalls am IBI-7 arbeitet, hat bereits ein virtuelles „Drug Screening“ mithilfe des Jülicher Superrechners durchgeführt.

Wie können die Ergebnisse genutzt werden?

Auf Basis dieser Forschung können wir einen Wirkstoff entwickeln, der bei einer Infektion einen schweren Krankheitsverlauf abmildert oder verhindert. Aber das muss jedem klar sein: Vom Labor zum Medikament dauert es einige Jahre, also viel zu lange für die aktuelle Pandemie. Wichtig ist es aber, das COVID-19-Virus weiter intensiv zu erforschen. Viren können mutieren und in abgewandelter Form wiederkehren. Dann brauchen wir wirksame Gegenmittel. In der gegenwärtigen Pandemie setze ich meine Hoffnung in bereits verfügbare antivirale Medikamente, die bereits an vielen Orten der Welt auf ihre Wirksamkeit gegen das neue Corona-Virus getestet werden.

Weitere Informationen

Überblick: Wie Jülicher Forscher an der Bewältigung der Corona-Krise arbeiten

Kontakt

Prof. Dieter Willbold
Tel.: 02461 61-2100
E-Mail: d.willbold@fz-juelich.de

Letzte Änderung: 19.05.2022