Nukleare Abrüstung: Experten erproben Überwachungsverfahren in Jülich

Jülich, 17. September 2019 – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Eine funktionierende Verifikation ist für die nukleare Abrüstung ganz entscheidend. Doch ausgerechnet dort ist die Überprüfung besonders heikel. Wie kann man sichergehen, dass ein nuklearer Sprengkopf vernichtet wurde, wenn den Kontrolleuren der Einblick in das Waffensystem untersagt ist? Internationale Expertinnen und Experten haben Verfahren entwickelt, die genau dies möglich machen sollen. In einer Übung am Forschungszentrum Jülich werden die Abläufe nun unter deutsch-französischer Leitung und möglichst realistischen Bedingungen an einem simulierten Sprengkopf praktisch erprobt.

Übung zur kontrollierten Abrüstung von Atomwaffen
Übung zur kontrollierten Abrüstung von Atomwaffen
Forschungszentrum Jülich / Tobias Schlößer

Ein entscheidender Punkt bei der nuklearen Abrüstung ist die Verifikation, also der Nachweis, dass ein vermuteter oder behaupteter Sachverhalt wahr ist. Der Erfolg hängt mit davon ab, dass sich überprüfen lässt, ob vereinbarte Verpflichtung tatsächlich eingehalten werden. Bis jetzt war dies nur eingeschränkt möglich. Im Rahmen bisheriger Abkommen wurde beispielsweise nur die Demontage von Trägersystemen für Nuklearwaffen überprüft. Die Zerstörung eines nuklearen Sprengkopfes wurde in der Historie der nuklearen Abrüstung dagegen bisher noch nicht zweifelsfrei von unabhängiger Seite bestätigt.

Die technischen Hürden für eine solche Verifikation sind hoch: Die überwachende Seite muss sichergehen, dass ein nuklearer Sprengkopf tatsächlich zerstört oder unbrauchbar gemacht wurde. Gleichzeitig möchte der abrüstende Staat keine militärisch-sensiblen Informationen preisgeben. Sofern Nicht-Kernwaffenstaaten beteiligt sind, könnte die Weitergabe von Informationen über den Aufbau eines nuklearen Sprengkopfes zudem gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verstoßen.

Auf der Suche nach einer Lösung hat das US-Außenministerium Ende 2014 die „International Partnership for Nuclear Disarmament Verification“ (IPNDV) ins Leben gerufen. Expertinnen und Experten aus über 25 Staaten erarbeiteten in der ersten Phase des Projekts Konzepte und Verfahren für die Abrüstungsverifikation. Diese sollen es auch Nicht-Kernwaffenstaaten ermöglichen, die nukleare Abrüstung zu überprüfen, ohne dass es zur Verbreitung sogenannter proliferationssensibler Informationen – Informationen zur Weitergabe von Atomwaffen oder Mitteln zu deren Herstellung – kommt.

In der zweiten Phase des Projekts, die 2018 begann, geht es nun unter anderem darum, die theoretisch entwickelten Konzepte und Verfahren praktisch zu erproben. Deutschland und Frankreich übernehmen hier gemeinsam Verantwortung. So hat ein deutsch-französisches Team des Forschungszentrums Jülich, der Universität Hamburg, des Auswärtigen Amtes, des französischen Außenministeriums und des französischen Verteidigungsministeriums die Abrüstungsverifikationsübung „NuDiVe“ (Nuclear Disarmament Verification) konzipiert und vorbereitet, die vom 23. bis zum 27. September 2019 am Forschungszentrum Jülich stattfindet.

Rund 30 Expertinnen und Experten aus den USA, Großbritannien, Frankreich sowie Deutschland und neun weiteren Nicht-Kernwaffenstaaten nehmen während der Übungen die Rollen des Inspektionsteams, der Abgeordneten des inspizierten Kernwaffenstaats sowie eines unabhängigen Evaluationsteams ein. Unter möglichst realistischen Bedingungen sollen sie prüfen, ob die bisher erdachten Verfahren und Technologien in der Praxis funktionieren. Anschließend wird gemeinsam ausgewertet: Lässt die Verifikation den eindeutigen Schluss zu, dass der Sprengkopf demontiert wurde? Wurde gleichzeitig sichergestellt, dass kein proliferationssensibles Wissen oder militärische Geheimnisse weitergegeben wurden? Wo müssen Verfahren angepasst werden?

Übung zur kontrollierten Abrüstung von Atomwaffen
Dr. Irmgard Niemeyer
Forschungszentrum Jülich / Tobias Schlößer

„Die Übung soll insbesondere auch die Wirksamkeit der Inspektionskonzepte und -verfahren prüfen, die gewährleisten sollen, dass kein spaltbares Material für den Bau künftiger Kernwaffen unentdeckt entfernt wird. Dafür wird ein Nuklearsprengkopf simuliert, der statt Plutonium weniger schädliches radioaktives Barium und Californium enthält“, erklärt die Jülicher Projektleiterin Dr. Irmgard Niemeyer vom Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-6).

Die Leiterin der Jülicher Arbeitsgruppe "Kernmaterialüberwachung und nukleare Sicherung" ist seit 2015 eine von drei deutschen Expertinnen und Experten, die das Auswärtige Amt für die IPDNV benannt hat. Forschungsarbeiten zur nuklearen Verifikation, vor allem im Rahmen der internationalen Kernmaterialüberwachung (Safeguards), haben am Forschungszentrum Jülich eine lange Tradition. Der Einsatz von Strahlungsquellen während der Abrüstungsübung erfordert entsprechende atom- und strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigungen, die in den radiochemischen Laboren des IEK-6 gegeben sind.

Pressetermin: Übung zur Verifikation der nuklearen Abrüstung

Für eine begrenzte Zahl von Medienvertretern besteht die Möglichkeit, am Donnerstag, 26. September 2019, nach Anmeldung die Übung zu begleiten. Die Übungen finden in der Zeit zwischen 9:00 Uhr und 16:30 Uhr statt. Interviews sind nach Absprache möglich. Bei Interesse besteht die Möglichkeit zu einem vorbereitenden Gesprächstermin im Auswärtigen Amt. Arbeitssprache ist Englisch.

Bitte nutzen Sie zur Anmeldung das Registrierungsformular

Bild- und Videomaterial von der Übung wird nachträglich online zu dieser Pressemitteilungfür die redaktionelle Nutzung zur Verfügung gestellt.

Weitere Informationen:

Auswärtiges Amt: Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung
International Partnership for Nuclear Disarmament Verification (IPNDV)
Pressemitteilung der Universität Hamburg vom 17. September 2019

Ansprechpartnerin:

Dr. Irmgard Niemeyer
Leiterin Kernmaterialüberwachung und nukleare Sicherung
Institut für Energie- und Klimaforschung, IEK-6: Nukleare Entsorgung und Reaktorsicherheit
Forschungszentrum Jülich
Tel.: +49 2461 61-1762
Email: i.niemeyer@fz-juelich.de

Pressekontakt:

Tobias Schlößer
Unternehmenskommunikation, Forschungszentrum Jülich
Tel.: +49 2461 61-4771
E-Mail: t.schloesser@fz-juelich.de

Letzte Änderung: 19.05.2022