Das Forschungszentrum wird zum Reallabor für die Energiewende

Jülich, 27. März 2018 – Treibhausgasemissionen drastisch zu senken, schnellstmöglich die Energieeffizienz zu steigern sowie den Umstieg auf erneuerbare Energien zu vollziehen – das sind die Ziele der Energiewende. Gleichzeitig gilt es, den Strompreis für Wirtschaft und Verbraucher bezahlbar zu halten. Lösungen für diese ambitionierten Aufgaben will das Projekt "Living Lab Energy Campus" (LLEC) des Forschungszentrums Jülich finden, zu dem heute Forschungsstaatssekretär Thomas Rachel MdB, NRW-Staatssekretärin Annette Storsberg sowie Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums den Startschuss gaben. Mit dem LLEC soll der Jülicher Forschungscampus zu einem Reallabor für die Energiewende werden, in dem neueste wissenschaftliche Erkenntnisse auf ihre Wirksamkeit und Alltagstauglichkeit erprobt werden. Die Bundesregierung, die Helmholtz-Gemeinschaft und das Land Nordrhein-Westfalen stellen dafür in den nächsten vier Jahren insgesamt 22,7 Millionen Euro zur Verfügung.

Im "Living Lab Energy Campus" will das Forschungszentrum Jülich am eigenen Beispiel zeigen, wie die energiepolitischen Ziele der Energiewende durch einen systemorientierten Ansatz und die Nutzung innovativer Techniken in einem bestehenden baulichen Umfeld erreicht werden können. Der ganze Forschungscampus wird dabei zu einem großen Experimentierfeld, in dem die Wechselwirkungen zwischen Technik, Energieträgern und Verbrauchern untersucht werden. Durch eine optimierte Kopplung von Energiewandlern, Speichersystemen sowie den Wärme-, Kälte- und Stromnetzen, der sogenannten energetischen Sektorkopplung, und der aktiven Einbindung der Verbraucherinnen und Verbraucher werden neue Lösungen zur optimalen Nutzung regenerativer Energien in einem bestehenden Energiesystem entwickelt.

Gruppenbild
Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

"Die Energiewende hat viele Komponenten, die ineinandergreifen müssen, damit die Umstellung auf ein nachhaltiges Energiesystem gelingen kann. Im 'Living Lab Energy Campus' wird mit einer umfassenden systemischen Betrachtung der Grundstein für das Energiesystem der Zukunft gelegt", sagte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Annette Storsberg, Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW), betonte in ihrem Grußwort: "Nordrhein-Westfalen hat als Energieland eine besonders große Bedeutung für das Gelingen der Energiewende. Als führende Forschungseinrichtung in Nordrhein-Westfalen leistet das Forschungszentrum Jülich mit dem LLEC einen wichtigen Beitrag zur Lösung drängender Fragen der Energiewende."

Grundidee aller Vorhaben im LLEC ist es, elektrische, thermische und chemische Energieströme im Anlagenverbund über ein neues intelligentes IT-System zu verknüpfen. Ein Aspekt dabei ist der Ausgleich schwankender regenerativer Quellen wie Wind und Sonne im Bereich der Stromerzeugung. Dies erfordert die Etablierung neuer Technologien wie die Umwandlung erneuerbaren Stroms in chemische Energieträger

(Power to Gas)

, um eine stetige Versorgung zu gewährleisten. Darüber hinaus werden Photovoltaik-, Batterietechnik-, Blockheizkraftwerks- und Wasserstoff-Demonstratoren zusammen mit weiteren Prototypen in die Energieversorgung des Forschungscampus integriert. Eine neu errichtete Leitzentrale wird Informationen über alle Energieströme auf dem Gelände des Forschungszentrums sammeln und die verschiedenen Energiesysteme auf Basis vorausschauender, lernfähiger Algorithmen regeln. Hierfür wird unter anderem ein digitales Modell des gesamten Campus erstellt. Insgesamt arbeiten über 30 Personen aus mehr als zehn verschiedenen Instituten in diesem Projekt zusammen. Der Themenbereich Simulation wird dabei schwerpunktmäßig am neu gegründeten Institut „Modellierung von Energiesystemen“ (IEK-10) untersucht.

Dr. Frank Heidrich, Unterabteilungsleiter für Forschung im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), machte deutlich: „Für den Erfolg der Energiewende brauchen wir ergänzend zur Stromwende eine Wärmewende. Dafür setzen wir auf Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energieträger, intelligent und digital verknüpft sowie mit den Sektoren Strom und Verkehr gekoppelt. Der Wärmemarkt ist auf gute, intelligente, vorausschauende Planung und kluge Planer angewiesen. Dies wollen wir im LLEC anreizen und erproben.“

Eine besondere Rolle nimmt das Schülerlabor „JuLab“ ein. Hier werden Teile der Gesamtlösung vorab in einem kleineren Umfeld getestet und darüber hinaus aktiv in den pädagogischen Ausbildungsbetrieb des JuLab eingebunden. Ein weiterer Aspekt des Projektes ist die Abwärmenutzung der Jülicher Supercomputer: Ab 2020 sollen bis zu zwei Megawatt Abwärme über ein Niedertemperaturnetz die umliegenden Gebäude im Winter beheizen. Die Planung und der Bau der Demonstratoren werden dabei in enger Zusammenarbeit mit Industriepartnern erfolgen. Als wissenschaftliche Partner sind unter anderem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die RWTH Aachen ins LLEC eingebunden.

Das Gelände des Forschungszentrums Jülich bietet ideale Voraussetzungen, ein dezentral organisiertes und regenerativ ausgerichtetes Energieversorgungssystem zu entwickeln. Allen voran der realitätsnahe Stadtcharakter des Campus mit knapp 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf 2,2 Quadratkilometern sowie die unterschiedlichen Energieverbraucher eignen sich bestens dafür, innovative und nachhaltige Energiekonzepte zu entwickeln. Konkret werden Teile des Campus zu definierten Bilanzkreisen zusammengefasst, in denen neuartige Energieversorgungs- und Regelstrategien getestet werden. Das Forschungszentrum avanciert so zur Blaupause für "smart cities".

"Beim LLEC handelt es sich um eine wissenschaftlich-technologische Plattform zur Entwicklung hoch-integrierter Energieversorgungssysteme in den Bereichen Wärme, Strom, chemische Energiespeicher und Mobilität durch lernfähige und vorausschauende Regelungsstrategien. Unser Ziel ist die Schaffung eines intelligenten Energiesystems, welches die Themen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Benutzerkomfort gleichermaßen bedient", so LLEC-Projektmanager Dr. Stefan Kasselmann.

Neben den städtebaulichen Veränderungen und der systemorientierten Weiterentwicklung der Energieversorgung wird im LLEC der Nutzer als wichtiger Faktor aktiv einbezogen. Unter anderem erhalten die Mitarbeiter des Forschungszentrums über ein Intranet-Portal Informationen über die Energieströme auf dem Campus, erhalten Hinweise zur Verbesserung der Energieeffizienz und werden z.B. über interaktive Methoden zu sparsamem Umgang mit Energie motiviert.

Von der Expertise der Jülicher Forschung im Rahmen des LLEC wird künftig auch die Nachbarschaft des Forschungszentrums profitieren. So wird das Forschungszentrum das geplante Projekt "Brainergy-Park" in Jülich mit seinen Erkenntnissen unterstützen, die im Rahmen des Living Lab Energy gewonnen werden.

Daten und Fakten zum LLEC

Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre angelegt und hat ein Gesamtvolumen von 22,7 Millionen Euro. 12 Millionen Euro werden von der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) bereitgestellt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie stellt rund 5,7 Millionen Euro zur Verfügung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2,5 Millionen Euro. Weitere 0,5 Millionen Euro kommen von Seiten des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Eigenanteil des Forschungszentrums beträgt 2 Millionen Euro.

Ansprechpartner:

Dr. Stefan Kasselmann
Projektmanager „Living Lab Energy Campus“
Forschungszentrum Jülich
Tel.: 02461 61-6071
E-Mail: s.kasselmann@fz-juelich.de

Pressekontakt:

Steffen Bender
Unternehmenskommunikation
Forschungszentrum Jülich
Tel.: 02461 61-3903
E-Mail: s.bender@fz-juelich.de

Letzte Änderung: 19.05.2022