Wasserstoff ist ein wesentlicher Baustein der Energiewende

Die Energiewende gehört zu den großen Herausforderungen der Gesellschaft: Deutschland strebt an, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Dabei soll die Bevölkerung sicher mit Energie versorgt werden und die Industrie wettbewerbsfähig bleiben. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Wasserstofftechnologien: Sie müssen entwickelt und in großem Maßstab marktgängig gemacht werden.

Der Hoffnungsträger

Wasserstoff ist das kleinste und leichteste chemische Molekül. Beim Umbau des Energiesystems spielt er aber eine gewichtige Rolle.

Deutschland soll beim Wasserstoff zum globalen Vorreiter werden. So sieht es die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vor. Wasserstoff gilt dabei nicht nur als zentrales Element, damit Deutschland seine Klimaziele bis 2050 erreicht. Er gilt auch als der dringend benötigte Baustein, um Elektrizität, Verkehr, Industrie und Wärmeversorgung zu vernetzen und zu optimieren. Deutschland soll sich internatio­nal eine Spitzenposition bei Wasserstofftechnologien sichern und damit der deutschen Wirtschaft neue Absatzmärkte eröffnen. Die ehemalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sprach in Anlehnung an die Raumfahrt sogar vom Aufbau eines „Cape Canaveral des Wasserstoffs“ in Deutschland.

Wasserstoff ist attraktiv, weil sich damit Strom aus erneuer­barer Energie speichern lässt. Denn der grüne Strom wird sehr unstetig erzeugt: Der Wind bläst mal kräftig, mal gar nicht. Auch die Sonne scheint nicht immer gleich stark. Überschüssiger Strom, der nicht sofort im Netz benötigt wird, ließe sich nutzen, um Wasserstoff zu erzeugen. „Dieser kann über lange Zeiträume gespeichert und dann genutzt werden, etwa wenn Windstille herrscht“, sagt Prof. Olivier Guillon vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-1).

Wasserstoff ist ein wesentliches Element der Energiewende. Er kann Energie aus Wind- und Sonnenstrom speichern. Das sichert eine zuverlässige Energieversorgung und verknüpft diese mit dem Verkehr, der Wärmeerzeugung und der industriellen Produktion.

Wasserstoff ist allerdings nicht nur wegen dieser Speicherfunktion wesentlich für die Energiewende. Er bietet einen Ausweg aus einem Dilemma: Es ist nämlich nicht abzusehen, dass jemals alle Flugzeuge, Schiffe und Lkw mittels Batterien elektrisch angetrieben werden können. „Wir müssen aber im Verkehrssektor aus der klassischen Versorgung mit Diesel oder Benzin aussteigen, wenn wir in Deutschland 2050 nur noch so viel Treibhausgase in die Atmosphäre ausstoßen wollen, wie wir ihr entnehmen“, sagt Prof. Detlef Stolten, der sich am IEK-3 mit Energiesystemen beschäftigt. Die Lösung könnten Brennstoffzellen sein – klimafreundliche Antriebe, die „grünen“ Wasserstoff nutzen.

Doch damit nicht genug: Wasserstoff kann auch der chemischen Industrie bei einer schwierigen Umstellung helfen. Denn sie ist auf Kohlenstoffquellen angewiesen, um etwa Medikamente und Kunststoffe zu produzieren. Solange sie dafür auf Erdöl oder Erdgas zurückgreift, führt dies zu einer schlechten Klimabilanz. „Aus grünem Strom lassen sich mit sogenannten Power-to-X-Technologien Wasserstoff – und wenn etwa CO2 hinzukommt – kohlenstoffhaltige Gase erzeugen. Diese könnten Erdöl und Erdgas ersetzen, um Basis-Chemikalien für die Industrie und flüssige Kraftstoffe etwa für die Luftfahrt zu produzieren. Auf diese Weise koppelt Wasserstoff die Sektoren Strom, Industrie und Verkehr miteinander“, betont Prof. Rüdiger Eichel, Experte für Elektrochemie am IEK-9.

Wasserstoff ist ein wesentlicher Baustein der Energiewende

Wasserstoff ist bunt

Wasserstoff H2 ist ein farbloses Gas. Je nach Art seiner Produktion wird ihm aber eine Farbe zugeordnet:

  • Grün: H2 wird durch Elektrolyse klimaneutral mit Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen.
  • Grau: H2 wird aus fossilen Rohstoffen wie Erdgas hergestellt. Das erzeugt pro Tonne H2 rund 10 Tonnen des Treibhausgases CO2.
  • Blau: H2 wird aus fossilen Rohstoffen erzeugt, doch das erzeugte CO2 wird abgeschieden und gespeichert, gelangt also nicht in die Atmosphäre.
  • Türkis: H2 wird durch die Spaltung von Erdgas bei hohen Temperaturen hergestellt. Dabei entsteht fester Kohlenstoff. Läuft der Prozess mit Wärme aus erneuerbaren Energiequellen, wird kein CO2 erzeugt.

„Deutschland kann vorne mitspielen“

Detlef Stolten untersucht die Energieversorgung und -nutzung von morgen. Seit 2010 beschäftigt er sich intensiv mit der Transformation des Energiesystems unter technisch-ökonomischen Gesichtspunkten.

Herr Prof. Stolten, eröffnen Wasserstofftechnolo­gien Deutschland neue Chancen für die Wirtschaft?

Ja. Während der Markt für Batterietechnik weitgehend von asiatischen Anbietern beherrscht wird, ist das Rennen bei der Elektrolyse- und Brennstoffzellentechnik noch offen. Deutschland und Europa haben hier gute Chancen, ganz vorne mitzuspielen. Es muss aber schnell gehandelt werden.

Wieso die Eile?

Wenn wir zu lange zögern, machen andere das Rennen. Um im weltweiten Wettbewerb erfolgreich zu sein, benötigen wir einen Heimatmarkt für die Wasserstofftechnologien, also auch eine entsprechende Infrastruktur mit Pipelines, Speichern und Tankstellen. Diese einzurichten dauert lange, deshalb müssen wir jetzt damit anfangen.

Deutschland wird den benötigten Wasserstoff nicht komplett selbst erzeugen können. Wie viel werden wir importieren müssen?

Wir konnten in einer Studie zeigen, dass es für ein klimaneutrales Deutschland im Jahr 2050 kostenoptimal wäre, wenn etwa die Hälfte des benötigten Wasserstoffs importiert und die andere Hälfte in Deutschland erzeugt würde. Voraussetzung dafür ist aber der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien.

© Grafiken: Seitenplan, Fotos: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau, Text: Frank Frick

Letzte Änderung: 26.07.2023