Prof. Dr. Silvia Daun: Arbeitsgruppenleiterin und Stellvertreterin des Institutsdirektors
Prof. Dr. Silvia Daun leitet die Forschungsgruppe "Computational Neurology" am Institut für Neurowissenschaften und Medizin - Kognitive Neurowissenschaften (INM-3) am Forschungszentrum Jülich. Sie ist außerdem die Stellvertreterin des Institutsdirektors und gleichzeitig Professorin für "Computational Neuroscience" am Zoologischen Institut der Universität zu Köln.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Wenn ich morgens ins Institut komme, nehme ich mir zuallererst einmal einen Kaffee und lese meine E-Mails. Nachdem ich diese bearbeitet habe, gehe ich für gewöhnlich in das Gespräch und die Diskussion mit meinen Mitarbeitenden. Entweder geschieht dies einzeln oder in Form eines Seminars. Die Diskussionen beziehen sich dann z.B. auf die Form des Experiments, das durchgeführt werden soll, darauf, wie die erhobenen Daten analysiert werden müssen, oder auf die neurowissenschaftliche Interpretation der Ergebnisse. Da die Ergebnisse auch publiziert werden müssen, leite ich meine Mitarbeitenden zum wissenschaftlichen Schreiben an und lese entsprechend Entwürfe Korrektur und entwickele diese weiter.
Als Stellvertreterin des Direktors des INM-3 besteht mein Arbeitsalltag auch aus Managementaufgaben, die die Führung und administrative Dinge des Instituts betreffen. Das beinhaltet u.a. auch die Planung der Personaldecke und des Budgets. Außerdem umfasst meine Arbeit die Konzeption neuer Forschungsprojekte und die Erarbeitung neuer Forschungstrends. Hinzu kommt die Betreuung und Ausbildung von Masterstudierenden, Promovierenden sowie Postdoktorand:innen, die die Forschungsprojekte durchführen.
Des Weiteren biete ich während des Semesters wöchentlich ein Seminar zu unterschiedlichen Themen der theoretischen Neurowissenschaften an der Universität zu Köln an.
Woran arbeiten Sie konkret? Bitte geben Sie uns ein Beispiel für ein Projekt, an dem Sie derzeit mitwirken.
Ich arbeite nun seit mehr als einem Jahrzehnt auf dem innovativen Gebiet der computationalen Neurowissenschaften. Basierend auf experimentellen Daten aus den verschiedenen Ebenen des Nervensystems entwickele ich mathematische Modelle und nutze diese zur numerischen Simulation. Dies erlaubt es mir, Hypothesen über komplexe Prozesse des Nervensystems zu formulieren, die dann in neu geplanten Experimenten überprüft werden können.
Das Ziel eines Projekts besteht z.B. darin, neue Therapieansätze für Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit Bewegungsstörungen zu entwickeln - eine Krankheit, die durch das steigende Durchschnittsalter unserer Gesellschaft immer wichtiger wird. Ich untersuche dazu die Aktivität neuronaler Netzwerke im Kortex des menschlichen Gehirns, die für unsere Motorik verantwortlich sind. Ansatzpunkte für meine Forschung sind u.a. elektrophysiologische Messungen wie Elektroenzephalographie (EEG) oder Magnetoenzephalographie (MEG). Außerdem führen wir bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) durch und kombinieren diese mit Verhaltensmessungen. Des Weiteren verwende ich die transkranielle Magnetstimulation (TMS), um bestimmte Bereiche des Gehirns zu aktivieren oder deren Aktivität zu hemmen und somit die Netzwerkaktivität aktiv von außen zu beeinflussen. Um die gewonnenen komplexen Datensätze zu analysieren, sowie die Interaktion der verschiedenen an der motorischen Aktion beteiligten Hirnareale des motorischen Kortex zu verstehen, entwickele ich geeignete Analysemethoden sowie mathematische Modelle. Auf diese Weise können Dysfunktionen innerhalb der Dynamik des motorischen Netzwerks, wie sie z.B. bei einem Schlaganfall auftreten, erkannt und verstanden werden. Weiterhin tragen die gewonnenen Erkenntnisse zu neuen Hypothesen bei, wie schlaganfallbedingte Funktionsstörungen korrigiert bzw. gesunde Funktionsweisen neu gelernt werden können.
Der Anteil an Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen ist leider noch immer recht gering. Wie erleben Sie diesen Umstand in Ihrem Arbeitsalltag?
Gerade in den Führungspositionen sind es immer noch hauptsächlich Männer, mit denen ich zusammenarbeite. Hierbei hat es mir immer geholfen, mich in die "männliche" Sicht- und Handlungsweise hineinzuversetzen, um zielgerichtet Diskussionen mit Kollegen zu führen.
Generell ist der Weg zur Professur ein steiniger, da es für die vielen jungen und exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht genug freie Stellen gibt. Die Konkurrenz ist sehr groß, dessen muss man sich bewusst sein, aber davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Dies bedeutet aber auch, dass man großen Einsatz zeigen und viel Energie aufwenden muss, um voranzukommen. Es hilft daher sehr, wenn man sich in ein Problem so "festbeißen" kann bzw. eine Fragestellung einen so fasziniert, dass man darüber die Zeit vergisst.
Was motiviert Sie an Ihrer Tätigkeit?
Die Forschung fasziniert mich, da ich durch sie immer wieder Neues lernen, mich weiterentwickeln, Dinge bewegen und Menschen helfen kann. Ich mache jeden Tag etwas Neues und fast jeden Tag erwarten mich neue Ergebnisse, aus denen wiederum Ideen entstehen, die ich dann in die Forschungsprojekte zu integrieren versuche.